Mediation & Moderation im Aufarbeitungsprozess
Prof. Dr. Elisabeth Rohr und Gerd Bauz
Mediation und Moderation sind Dienstleistungen, die die Auftraggeber dabei unterstützen, ihre eigenen Anliegen zügig, konstruktiv, ressourcenschonend und orientiert an den eigenen Werten zu verfolgen.
Methodisch sind Mediation und Moderation eigene Beratungsformate. Für beide gibt es jeweils professionelle Standards. Zugleich gehen diese Unterstützungsformen ineinander über, was sich z. B. in der Bezeichnung ‚Konfliktmoderation‘ ausdrückt. Die Grundprinzipien sind für beide Formate die gleichen, wie sie mittlerweile übergreifend für professionelle Beratung auch generell gelten: Prozess- und Teilnehmerorientierung, Vertraulichkeit, Verschwiegenheit (Schweigepflicht),
Allparteilichkeit, laufende Neukontraktierung, kollegiale oder begleitete Selbstreflexion der Berater*innen.
Die Anliegen können auf einer Skala zu- bzw. abnehmender Handlungsfähigkeit in folgenden Begriffen unterschieden werden: Katastrophe, Konflikt, Problem und Aufgabe.
Der Prozess der Aufarbeitung der Fälle physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen in den Heimen der Diakonie Korntal in den 50er bis 90er Jahren befand sich beim Beginn unserer Beauftragung Mitte 2016 im Zustand einer Katastrophe: ein mit großer Hoffnung gestarteter, professionell unterstützter erster Anlauf war soeben gescheitert; zwischen den Beteiligten herrschte Funkstille, es gab gegenseitige Schuldvorwürfe, vertane Mühen, einen Reputationsschaden für alle Beteiligten etc.
Im Laufe eines halben Jahres ist es gelungen, die Beteiligten in einem zugleich erweiterten und verbindlichen Rahmen erneut zusammen zu bringen – allerdings waren diese Treffen immer mehr oder weniger konflikthaft. Eine Auftraggebergruppe (AGG) wurde gebildet, in der die Ev. Brüdergemeinde, die verschiedenen Betroffenengruppen und die zivilgesellschaftlichen Unterstützer sich gleichberechtigt zur Steuerung der Aufklärung im engeren Sinn verbanden und Regeln für ihre Arbeit vereinbarten.
Die Ev. Brüdergemeinde übernahm es, den Prozess finanziell zu tragen, und hat für alle, die einen Anspruch aufgrund ihrer Verletzungen geltend machen werden, eine freiwillige Anerkennungsleistung unabhängig von anderen bereits empfangenen Leistungen zugesagt.
Dies kennzeichnete den Übergang von der Katastrophe in eine Phase von Konflikten. Sie entzündeten sich vor allem an den beiden Hauptaufgaben der AGG: die Bestellung unabhängiger, kompetenter und verfügbarer Aufklärer sowie einer Vergabekommission mit denselben Anforderungen.
Die auftretenden Konflikte führten zum Ausstieg einiger Betroffener aus der Arbeit der AGG, weil sie eigene Vorstellungen nicht durchsetzen und partizipativ gefällte Entscheidungen nicht mittragen konnten/wollten. Sie beteiligen sich aber wohl alle an der Aufklärung, führen Gespräche mit der Aufklärerin Frau Dr. Baums-Stammberger und beantragten die freiwilligen Anerkennungsleistungen der Ev. Brüdergemeinde.
Trotz aller Konflikte, blieb die AGG handlungsfähig und konnte die auftretenden ‚Probleme‘ im Rahmen der vereinbarten Kriterien lösen. Ihre verbleibende ‚Aufgabe‘ ist es, die Arbeit der Aufklärer und der Vergabekommission zu begleiten und die Resultate voraussichtlich Mitte 2018 abzunehmen.
Die stellen- und phasenweise nicht gelingende Kooperation wurde durch Trennung gelöst. Damit wurde eine erneute ‚Katastrophe‘ für den Prozess verhindert. Die Hoffnung und das Bemühen, erneut zusammenzukommen, werden nicht aufgegeben. Die Tür ist offen.
‚Konflikte‘ sind in unserem Verständnis ein unvermeidlicher Teil engagierten Arbeitens; es gilt, sie produktiv zu nutzen, Verletzungen zu vermeiden bzw. zu heilen, dem möglichen Umkippen in eine Katastrophe vorzubeugen.
Dies gelingt, wenn die auslösenden ‚Probleme‘ sach- und beziehungsgerecht unter Wahrung der Interessen und Werte der Beteiligten gelöst werden können.
Die gestellten ‚Aufgaben‘ sind in der Steuerung durch die AGG einerseits bereits weitgehend abgearbeitet, insofern nun die Aufklärer und die Vergabekommission an der Arbeit sind. Die Aufklärer erledigen ihre Aufträge abgeschirmt und vertraulich; in den Rückmeldungen der Betroffenen wird erkennbar: auch zugewandt und hervorragend. Die quantitative Beteiligung der Opfer der verschiedenen Formen von Gewalt bewegt sich Richtung hundert Prozent derer, die bisher erreicht werden konnten. Die Vergabekommission startet gerade ihre Aufgaben-Erledigung – und wird dabei ggf. ihre eigenen Konflikte und Probleme zu lösen haben…
Als Moderatoren sind wir zuversichtlich, dass der Aufarbeitungsprozess gelingen und im Sinne der Betroffenen zu guten Ergebnissen führen wird.
Gerd Bauz und Prof. Dr. Elisabeth Rohr